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Kulturpflanzen-Vielfalt: Gemeinsames Erbe der Menschheit oder die letzten Schätze für Piraten?

Die unendliche Geschichte eines internationalen Vertragswerkes

von Rudolf Buntzel-Cano

 

 

Redaktionelle Einführung:

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den letzten Chancen für ein offenes weltweites System für pflanzengenetische Ressourcen im Ernährungs- und Agrarbereich.

Werden die unfaßbaren Schätze der Vielfalt an Kulturpflanzen, ihre Arten, Rassen, Linien, Sorten und wilden Verwandten, der privaten Aneignung, Verkommerzialisierung und Biopiraterie anheim fallen? Oder schafft es die Weltgemeinschaft noch in letzter Minute, die Regeln des Spiels so festzulegen, dass der Zugang, der Austausch und der Nutzen des Genpools uneigennützig erfolgt, daß dieser Bereich in öffentlicher Hand bleibt und dass ihre Aneignung durch geistige Eigentumsrechte, wie Patente und Sortenrechte, ausgeschlossen wird?

Seit 8 Jahren laufen harte Verhandlungen bei der Welternährungsorganisation (FAO). Trotz aller Unkenrufe, sie seien eigentlich schon gescheitert, haben sie doch noch immer wieder ihre Krisen überwunden. Auch wenn das, was sich heute als Ergebnis abzeichnet, bei weitem nicht dem entspricht, was Entwicklungsorganisationen, Umweltorganisationen und Kleinbauernorganisationen weltweit gefordert und erhofft haben, so fordern wir dennoch jetzt den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Es geht um die Sicherung der Welternährung, um die Verhinderung von restriktiven Praktiken beim Austausch von Saatgut und um die Unterbindung von eigennützigen Versuchen, die heile Welt des früheren freien multilateralen Systems zu zerstören. Der freie Zugang zu den Genreserven ist ein wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft.

 

Ein wahres Märchen von einer heilen Welt . . .

Es war einmal, dass viele Menschen in vielen Ländern die gleiche Idee hatten: Lasst uns alle die wunderbaren, vielzähligen Arten und Rassen von Pflanzen, die uns ernähren, sammeln und aufbewahren. Es könnten ja einmal Zeiten kommen, wo wir diesen Reichtum von vielen tausend Jahren Agrarkultur noch einmal brauchen. Und so sammelten sie von 1.300 Arten, alle gut essbar, rund sechs Millionen unterschiedliche Muster, steckten sie in Gläser und Kühlhäuser und passten auf, dass die Samen auch ja fruchtbar blieben.

Wenn immer eine Hungersnot dazu führte, dass in einer Region all das gute alte Saatgut aufgegessen wurde, oder Dürren die letzten Reste einer Ernte vernichteten, dann wendeten sich die Menschen an diese Saatbanken und bekamen Muster ihrer eigenen alten Sorten zurück, damit sie wieder dort weitermachen konnten, wo sie vorher waren.

In ihrem Eifer sammelten sie nicht nur bei sich zuhause, sondern auch sonstwo auf der Welt, woimmer sie einen besondern Reichtum an Vielfalt vermuteten. Die Genbanken tauschten untereinander fleissig ihre Sammlungen aus, hinterlegten Duplikate anderswo und kooperierten wo es nur ging.

Auch die Züchter auf der Welt, schon seit einiger Zeit nicht mehr die Bauern selbst, wandten sich immer wieder an diese Genbanken und ließen sich Samen von Typen schicken, die für sie interessante Eigenschaften hatten, um sie in die Hochertragssorten einzukreuzen.

Und so wurden rund 400.000 Muster in den letzten Jahren frei ausgetauscht. Ihr Beitrag zur Welternährung ist unschätzbar.

Es funktionierte ein wahrhaft freies, multilaterales System einige Jahrzehnte lang, in dem keiner danach fragte, wem diese Schätze der Agrarkulturen gehörten, wer welche Leistungen zu ihrer Erhaltung erbracht hat, wer sich daran frei bedienen darf und wer wo sammeln darf.

 

. . . und den bösen Mächten

Doch die Zeiten änderten sich. Züchter machten aus den gespendeten Saatgutmustern klingende Münze und erhoben für ihre Sorten Lizenzen, selbst von den Ursprungsländern, die ihnen mal die interessanten genetischen Eigenschaften umsonst gaben. Weltweit operierende Gentechnikkonzerne taten so, als ob sie die genetischen Ressourcen erfunden hätten. Es gab zunehmend Fälle, wo sie internationale Patente erwarben, womit auch die ursprünglichen Entwickler des Saatguts, die Nachfahren der traditionellen Bauern, von der weiteren Nutzung ausgeschlossen zu werden drohten. Die neue Kälte neoliberaler Wirtschaftstheorie führte zu einem drastischen Rückzug von Staaten aus der Finanzierung dieser Sammlungen. Der Geist der Kommerzialisierung vergiftete die Atmosphäre. Kulturpflanzenvielfalt, ehedem ein öffentliches Gut, wurde zu einer Ware. Die Ursprungsländer versuchten es den Konzernen nachzutun; sie wollten ihre Schätze nicht mehr ohne Bezahlung weitergeben.

Angefangen hat es eigentlich bei Heilkräutern. Die multinationalen Konzerne haben frech eine "Ethnomedizin" aufgebaut. Sie horchten traditionelle Medizinmänner aus, um sie um ihre Weisheit der Naturheilkunde zu bringen. Darauf hin beschlossen alle die armen Länder, wo noch die Natur und Kultur reichhaltig war, dass sie einen Schutz brauchen.

Eine neue Weltordnung gewinnt Konturen

Beim Weltumweltgipfel von Rio wurde dann die Konvention zur Biologischen Vielfalt verabschiedet. "Aus" war es mit dem freien System des Austausches und der Nutzung. Waren früher die biologischen Schätze als das "GEMEINSAME ERBE DER MENSCHHEIT" betrachtet, wurden sie jetzt zum "Eigentum des Ursprungslandes" und die Regierung erhielt "souveräne Rechte" über den ganzen biologischen Reichtum ihrer Natur und ihrer Kultur. Regierungen sagen: Wenn andere aus unseren genetischen Ressourcen Geld machen, dann wollen wir auch daran beteiligt werden.

Was war die Folge? Der Zugang zu den genetischen Ressourcen wurde eingeschränkt. Nur noch diejenigen durften sammeln oder bekamen Muster, die ihre Interessen vorher genau darlegten. Nur noch auf der Grundlage von bilateralen Verträgen mit Leistung und Entgelt flossen genetische Ressourcen. Kommerzielle Gewinne aus der Nutzung der Ressourcen mußten ab jetzt geteilt werden.

Das ist das Ende dieser Geschichte. Jetzt fängt der Ernst an.

 

 

 

Das International Undertaking der FAO

Im Jahre 1983 haben 150 Mitgliedsstaaten der FAO eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet, die das ehemalige freie multilaterale System in Paragraphen beschrieb und als Verhaltensempfehlungen kodifizierte. Doch mit der Verabschiedung der "Konvention zur biologischen Vielfalt" (CBD) von Rio im Jahre 1992, die zwischen der Vielfalt im Agrar- bzw. Ernährungsbereich und der in anderen Bereichen, z.B. die der pharmazeutischen Nutzung, nicht unterschied, wurde dieses FAO-Vertragswerk rechtlich überlagert. Die CBD ist völkerrechtlich verbindlich, das IU aber nur ein unverbindlicher Codex.

Agenda 21 von Rio hat zur Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich an die Regelungen der CBD aufgefordert. Seitdem versuchen nun die Mitgliedsstaaten der FAO in der "Kommission zu pflanzengenetischen Ressourcen" ein neues Vertragswerk auszuarbeiten. Es soll als Protokoll der CBD dann auch verbindlich werden, falls alles klappt.

 

Bilateral oder multilateral?

Zwei unterschiedliche Ansätze stehen hier miteinander im Konflikt:

Der sog. "Bilaterale Ansatz" versucht auf der Grundlage der CBD den Austausch pflanzengenetischer Ressourcen nur von Fall zu Fall mit Verträgen vorzunehmen, bei denen Leistung und Gegenleistung festgelegt werden. Dahinter steht deutlich das Versprechen, aus der Gewährung des Zugangs zu den alten Sorten Kapital zu schlagen. Diese Gruppe wird angeführt von einigen Ländern des Südens, vor allem Lateinamerika unter der Führerschaft von Brasilien, die sich im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung der Bio- und Gentechnik im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich riesige Märkte für ihre genetische Ressourcen versprechen. Sie übersehen dabei allerdings, dass ihre eigenen Züchter auch bei den meisten ihrer eigenen Kulturpflanzen von einem Import pflanzengenetischer Ressourcen abhängig sind und dass ihre biologischen Reichtümer mehr die der Wildpflanzen für Heilkräuterzwecke sind.

Diese Gruppe möchte den genetischen Ressourcen einen möglichst hohen Wert durch die Definition von sehr restriktiven Bedingungen und hohen eigenen Eigentumsansprüchen zugute kommen lassen.

"Multilateraler Ansatz"

Eine zweite Gruppe von Ländern wünscht sich möglichst weitgehend den früheren paradiesischen Zustand aufrecht zu erhalten, bei dem pflanzengenetische Ressourcen keinen Marktwert haben und frei verfügbar sind. Finanziert werden sollen die Erhaltungsaktivitäten durch einen multilateralen Fond, der durch Zuschüsse der öffentlichen Hand gespeist wird.

 

Wer zahlt für die Konservierung?

Mit zunehmend knapper werdenden öffentlichen Mitteln kommen die vielen Haltungs- und Sammlungsprogramme für pflanzengenetische Ressourcen in eine Krise. Die Regierungen sind immer weniger bereit, im Zusammenhang mit der Privatisierung der Nutznießung für die Sammlungs- und Konservierungsaktivitäten aufzukommen. Kulturpflanzenvielfalt, früher eine öffentliche Domäne, wird zunehmend als privates Anliegen definiert. Die Länder, die sich aus dem Verkauf der Rohware Geld versprechen, meinen, daß sie mit diesem Geld dann die Sammlungsaktivitäten finanziert können.

Dieses Konzept eines internationalen Marktes für pflanzengenetische Ressourcen im Ernährungs- und Agrarbereich leidet unter erheblichen Mängeln:

 

 

 

    1. Wer sind die Eigentümer der Kulturpflanzenvielfalt?

Die Zuordnung scheint ein unlösbares Problem zu sein.

    1. Genauso unlösbar ist die Frage: Welchen Wert haben die genetischen Ressourcen im Vergleich z.B. zu der züchterischen Leistung? Eine genetisch interessante Eigenschaft muss in moderne Hochleistungssorten eingekreuzt werden, was ein langwieriger, aufwendiger Prozess ist. Zudem ist der Züchtungsprozess nicht immer nur eindimensional, sondern verschiedenste Zuchtlinien werden zusammengeführt. Welches ist der Anteil an den Gewinnen aus dem Endverkauf einer kommerziell interessanten Sorte, der der Züchtung und der der genetischen Ressource zuzuordnen ist, und wie sollte der Gewinn auf die verschiedenen genetischen Ursprünge verteilt werden?
    2. Wie kann weltweit ein System administriert werden, das die Nutzung bestimmter genetischer Ressourcen registriert und kontrolliert, das die Anteile an den realisierten Gewinnen einholt und an die Ursprünge wieder zurückverteilt? Die Transaktionskosten eines solchen Systems wären immens, wahrscheinlich weitaus höher als die daraus zurückfließenden Einnahmen.

 

Multilateraler Fonds

Aus der Erkenntnis heraus, dass der Kommerzialisierung genetischer Ressourcen im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich enge Grenzen auferlegt sind, setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass es in diesem Bereich nicht so funktioniert, wie es sich die CBD für den pharmazeutischen Bereich so vorgestellt hat. Stattdessen muss eine neue Art eines multilateralen Systems her, bei dem Einzahlungen der Nutzer in einen multilateralen Fonds nötig sind, der dann wiederum nicht nach individuellen Leistungen aufgeteilt wird, sondern aus dem sinnvolle Projekte von Mitgliedsländern finanziert werden, die der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen dienen.

Ein eingeschränktes multilaterales System

Die Verhandlungen über das neue Vertragswerk konzentrieren sich jetzt z.B. auf die Frage, ob ein solches multilaterales System für alle Nutzpflanzen der Ernährung und Landwirtschaft gelten soll, oder nur für einige der wichtigsten Nahrungskulturen. Das hieße, daß einige pflanzengenetische Ressourcen (PGR) – wahrscheinlich die wichtigsten Nahrungsmittel – öffentliche Güter würden, während andere, z.B. Industriepflanzen, wie private Güter gehandelt würden. Die Unterteilung bietet sich u.a. auch deswegen an, weil sich in den Genbanken der 16 internationalen Agrarforschungszentren ein grosser Teil der Sammlungen dieser Welt von PGR der wichtigsten Nahrungsmittelpflanzen - die sog. "Mandatspflanzen dieser Zentren" konzentrieren. Diese Einschränkung des Zuständigkeitsbereiches scheint ein Kompromiss zu sein zwischen den kommerziellen Interessen des bilateralen Ansatzes und den öffentlichen Interessen des multilateralen Ansatzes.

 

Vorteilsausgleich versus Lizenzgebühren

Ein weiterer Streitpunkt in den Verhandlungen, der primär ein Nord-Süd-Konflikt ist, ist die Frage, was müssen die Nutzer, die hauptsächlich Industriestaaten sind, an den gemeinsamen Fonds zahlen, und inwieweit dürfen sie auf ihre Züchtungsprodukte Lizenzen erheben. Die Nutzung im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich erfolgt entweder nach traditionellen Züchtungsmethoden, deren Endergebnisse dann geschützte Sorten unter dem Sortenschutzsystem nach UPOV sind, oder es sind gentechnisch veränderte Pflanzen, die meist unter Eigentumsrechten des Patentschutzes nach den Regeln von TRIPs stehen. Sowohl die Patentlizenz als auch die Sortenschutzgebühr der Saatgutfirmen – meist Konzerne des Nordens – auf abgeleitete Sorten ihrer PGR werden von den Entwicklungsländern nur akzeptiert, wenn die Industrieländer gleichzeitig finanzielle Beiträge zu dem multilateralen Fonds liefern. Die Industrieländer wollen möglichst wenig für die pflanzengenetischen Ressourcen zahlen, d.h. wollen freien Zugang, wollen aber gleichzeitig möglichst hohe Lizenzgebühren für ihre Hightech-Pflanzen erheben und strikte geistige Eigentumsrechte beanspruchen. So kann es aber weltpolitisch nicht laufen. Ohne, daß die Ursprungsländer der verwendeten PGR an den Vorteilen aus der Nutzung - sog. "Benefit Sharing" - nicht beteiligt werden, kann es aber keine geistigen Eigentumsrechte mit weltweiten Patentansprüchen geben. Da machen die Entwicklungsländer nicht mit.

Diese Diskussion steht in einem engen Zusammenhang mit der Überarbeitung (Review) des TRIPs-Vertrags der WTO, vor allem zu § 27, 3.b), wo es um die weltweiten geistigen Eigentumsrechte an Pflanzen geht.

 

 

Die Rechte der Bauern

Sechs Jahre nach der Verabschiedung des International Undertaking wurde auf Druck der Länder des Südens ein Artikel in den IU mit aufgenommen, der sich mit den Rechten der Bauern an ihrem Saatgut beschäftigt (sog. "Farmers' Rights"). Diese Aufnahme war nur denkbar, weil sich die Entwicklungsländer auch dazu bereit erklärt hatten, im Gegenzug auch die Rechte der Züchter (Sortenschutz) anzuerkennen. Die Farmers´ Rights sind keine individuellen Rechte, sondern eine politische Erklärung. Sie machen deutlich, dass es die Bauern waren, die die immense Vielfalt an Kulturpflanzen hervorgebracht haben. Deswegen müssen sie nicht nur an den Vorteilen der Nutzung dieser Kulturpflanzenvielfalt beteiligt werden, sondern sie müssen auch das unveräußerliche Recht haben, ihr Saatgut zu nutzen, aufzubewahren, nachzubauen, auszutauschen und mit ihm weiterzuzüchten. Die Ansprüche, die sich daraus ergeben, sind kollektiver bzw. politischer Natur, d.h. dass die Bauern für ihre Saatguterhaltungsanstrengungen (sog. "in situ on farm Erhaltung") und eigene Saatzüchtung durch eine partizipatorische Agrarforschung von Seiten des Saaten unterstützt werden müssen.

Es beinhaltet aber auch, dass die Bauern von den Folgen geistiger Eigentumsrechte neuerer Natur geschützt werden müssen; sie dürften keine Einschränkung in ihren Aktivitäten erfahren. Genau an diesem Punkt wird es politisch brisant, etwa im Zusammenhang mit der Änderung von UPOV 91 und der daraus resultierenden Veränderung z.B. des bundesdeutschen Sortenschutzgesetzes von 1998, in dem die Nachbaugebühren eingeführt wurden. Eigentlich müßten auch Technologien, wie z.B. die Terminator Technologie, die den Nachbau technisch verunmöglichen soll, ausgeschlossen werden.

In dem jetzigen Entwurf des neuen Artikels zu den Farmers' Rights im IU sind diese heiklen Punkte dadurch ausgeräumt worden, dass man zwar die Rolle der Bauern anerkennt, aber die Ansprüche und Rechte, die daraus resultieren, den Regelungen der nationalen Regierungen zugeordnet. Irgendwelche Minimalbedingungen, die diese Regelungen gegenüber den Bauern einzuhalten haben, wurden nicht fixiert. Konkret heißt es in dem vereinbarten Text: "Regierungen sollen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Bauernrechte erlassen, die in Übereinstimmung mit ihren Bedürfnissen und Prioritäten stehen, jede Vertragspartei entsprechend dem, was angemessen ist und was durch nationale Gesetzgebung bestimmt wird" (Artikel 15.2) . Auch das Recht der Bauern "Vermehrungsmaterial aufzubewahren, zu nutzen, auszutauschen und untereinander zu verkaufen" wird der nationalen Gesetzgebung, so wie sie "angemessen" ist, unterstellt. Schwächer könnte es kaum noch formuliert sei. Damit ist leider der gegenwärtige Entwurf nicht mehr im Widerspruch zu dem bundesdeutschen Sortenschutzrecht und den speziellen Regelungen über die Nachbaugebühr.

 

Vorteilsausgleich für die Bauern

Im neuen Entwurf des IU ist nicht mehr vorgesehen, daß die Bauern der Herkunftsgebiete einer Landsorte, die in eine kommerziell erfolgreiche moderne Hochertragssorte eingekreuzt wurde, an den Gewinnen des Züchters beteiligt werden müssen. Es gibt auch keine Gewinnabschöpfung bei den Züchtern oder den Gentechnikkonzernen. Die Nutzer von PGA und die Erzeuger von PGA sind mit individuellen Rechten und Pflichten aus dem spiel genommen.

Mit den Beiträgen zu einem internationalen Fonds, finanziert z.B. aus Entwicklungshilfegeldern, werden Projekte zur Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen unterstützt. Beitragszahlungen von Regierungen werden als hinreichende Gegenleistung eines Landes für freien Zugang zu den PGR der Mitgliedsländer betrachtet. Länder, die Mitglied sind in dem neuen Vertragswerk, erwerben sich die Rechte durch Einzahlungen an den multilateralen Fonds und Öffnung ihres eigenen Genpools für die anderen Mitglieder des beschränkten "Clubs". Wie hoch die "Mitgliedsgebühren" des Vertragswerkes werden sollen und wie die kalkuliert werden, ist noch nicht geregelt.

 

Geistige Eigentumsrechte

Während einer der Gründe für das Zusammenbrechen des ursprünglich freien Systems die Biopiraterie mit Hilfe von geistigen Eigentumsrechten war, spricht sich der gegenwärtige Vertragsentwurf nicht mehr gegen Sortenschutzrechte oder Patente an PGR grundsätzlich aus. In Klammern, d.h. noch zur weiteren Verhandlung offen, steht allerdings ein Passus, wonach das Material, das aus dem multilateralen System entnommen oder ausgetauscht wurde, nicht mit geistigen Eigentumsrechten von Dritten belegt werden darf. Offen bleibt aber, wie mit den abgeleiteten Züchtungsergebnissen und den gentechnisch veränderten Ableitungen von solchen Entnahmen verfahren wird.

 

Politische Bewertung

Lohnt es sich, sich für dieses Thema und für den International Undertaking einzusetzen? Das ist die Frage!

Nichtregierungsorganisationen haben schon viele Schlachten beim IU verloren. Das, was heute politisch noch von dem ursprünglichen multilateralen System übrig ist, ist nur noch ein Rumpfteil von dem, was es einmal war und was wir uns als Nichtregierungsorganisationen gewünscht hätten. Dennoch, in Übereinstimmung mit der Initiative von GRAIN / Erklärung von Bern / ITDG (vgl. Aufruf im Anhang) ist diese Welt mit einem völkerrechtlich verbindlichen International Undertaking auch in der jetzigen verwässerten Form noch immer erträglicher, als völlig ohne ein entsprechendes Vertragswerk.

Es geht um einen Kampf gegen die immer weiter ausufernden Patentrechte, die private Aneignung der Natur- und Kulturpflanzen, und für einen Einsatz, die noch letzten Reste einer schon stark dezimierten Kulturpflanzenvielfalt zu retten. Alle drei Ziele sind des Schweißes der Edlen wert.

Ein Engagement wird sich lohnen, weil die Verhandlungsergebnisse noch offen sind. In der Vergangenheit war es immer wieder erstaunlich, wie plötzlich Entscheidungen zustande kamen, die keiner für möglich gehalten hat: Zum Beispiel 1989, die unerwartete Einigung auf die Farmers' Rights, ein sehr weitgehendes Konzept im Vergleich zu dem heutigen Verhandlungsstand; oder z.B. im April 2000, die Rettung des Zusammenbruchs der Verhandlungen durch eine Bestätigung der Farmers Rights, auch wenn sie der nationalen Regelung unterworfen wurden; oder z.B. die Tatsache, dass sich 150 Staaten 1996 in Leipzig auf den globalen Aktionsplan zur Rettung von pflanzengenetischen Ressourcen im Agrar- und Ernährungsbereich einigen konnten, der der Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt auf dem Feld gegenüber der Erhaltung in Genbanken die höchste Priorität einräumt. Dieser Globale Aktionsplan wird dann greifen, wenn das IU mit seinen Finanzinstrumenten und Zugangsbedingungen verabschiedet sein wird. Überraschend war z.B. auch, dass das internationale System der Agrarforschungszentren CGIAR seine umfangreichen Genbankenbestände unter die Oberaufsicht der Welternährungsorganisation gestellt hat und Patente auf sie ausgeschlossen hat.

In dem Kampf gegen Nachbaugebühren oder für eine bäuerliche Züchtung, wie z.B. die der Züchtung für den ökologischen Landbau, können wir uns auf den IU berufen. Die Möglichkeiten der Inverkehrbringung auch von Nicht-Hochertragssorten oder Zuchtsorten von Ökozüchtern, die den restriktiven Bedingungen der Homogenität, Stabilität , Unterscheidbarkeit und des landeskulturellen Wertes des Bundessortenamtes nicht genügen, sind mit Hilfe des IU durchgesetzt worden. Unsere Anliegen können durch den internationalen Bereich gestärkt werden. Angesichts der Interessen der Welternährung, wo für Hunderte von Millionen von Subsistenzbauern diese Regelungen sehr viel bedeutsamer sind als in unserer hochkommerzialisierten Landwirtschaft, können wir uns internationale Rahmenbedingungen zunutze machen, um die Diskussion über die Rahmenbedingungen zu Saatgutfragen in unserer eigenen Landwirtschaft voranzubringen. Wieviel dringlicher werden diese Freiräume eines multilateralen Systems erst, wenn die konventionelle Züchtung immer mehr auf Gentechnik setzt und es kaum noch Sorten geben wird, die nicht gentechnisch verändert worden sind.

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